Kraus hat […] zwei Bände erscheinen lassen: ›Weltgericht‹ […] Hier ist das gesammelt, was Kraus in der großen Zeit und zu der großen Zeit zu sagen hatte. Das war wie ein Schrei aus einer andern Welt, als er im Jahre 1914 – und so begann es – zu sprechen anhub: »In dieser großen Zeit, die ich noch gekannt habe, wie sie so klein war; die wieder klein werden wird, wenn ihr dazu noch Zeit bleibt ... « Das waren die ersten Worte eines, der vom August bis zum November 1914 vor Schreck jäh verstummt war (die andern hatten längst ihre Sprache, und was für eine, wiedergefunden). Die dramatis personae dieses Weltgerichts sind tot oder werden es bald sein. Ihr schlechter Atem wird leben. Noch lebt er. Karl Kraus hat ein Geheimnis: er zitiert wörtlich die Zeit, und in seiner Luft, auf seinem Papier enthüllt sie all ihre Widerlichkeiten. Man hat gesagt, er habe nicht gewagt, diesen oder jenen Mächtigen anzugreifen. Was war ihm dieser und jener! Er tat nichts weiter, als die Welt, so wie sie da war, mit den Forderungen Jesu zu vergleichen, und der Höhenabstand war schwindelerregend. Und er hat weniger Wilhelm angegriffen, weil der nur ein Symptom war – er griff alle an, weil er verstanden hatte, dass alle schuld waren.

Kurt Tucholsky (Ignaz Wrobel):
Weltgericht (Die Weltbühne, 20. Mai 1920, Nr. 21, S. 596)

Entwurf des Einbandtitels der broschierten Ausgabe. Die endgültige Fassung ist typographisch ebenso gestaltet: »WELT-/GERICHT/I«.