Chronik


1889 3. Oktober: Geburt von Carl von Ossietzky in Hamburg, Große Michaelisstraße Nr. 10, Vater: Stenograph, Inhaber einer Milchhandlung und Speisewirtschaft. Katholische Taufe. Kindheit im Hafen-Gängeviertel Hamburgs
1891 4. November: Tod des Vaters. Strenge katholische Erziehung durch die Tante
1896 Besuch der privaten Rumbaumschen Schule (achtklassige Mittelschule)
1898 3. März: Hochzeit der Mutter mit dem Holzbildhauer und Holzschnitzer Gustav Robert Walther
1899 Protestantische Erziehung durch den Stiefvater
1904 Entlassung aus der Rumbaumschen Schule. Konfirmation in der lutherischen St. Michaeliskirche. Beginn einer Lehre als Kaufmann
1907 1. Oktober: Einstellung als „nicht fest angestellter Hilfsschreiber” beim Amtsgericht Hamburg. Erste Schreibversuche. Keine Mittlere Reife
1910 Versetzung in die Schreibstube des Grundbuchamtes, Beitritt zur Hamburger Ortsgruppe der „Demokratischen Vereinigung“
1911 Erste Veröffentlichung einer Theaterkritik „Alles um Liebe“ in der Zeitschrift “Das freie Volk”, dem Parteiorgan der Demokratischen Vereinigung, am 25. Februar
1912 Regelmäßige Beiträge für das “Freie Volk” (bis Juli 1914 siebzehn Artikel). Erste Begegnung mit der 27jährigen Engländerin Maud Lichfield-Woods in Hamburg
1913 Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft und des Deutschen Monistenbundes. “Sonnenwende”, Ossietzkys erster Leitartikel, Vortrag “Demokratie und Kirchentum” auf einer Mitgliederversammlung der Demokratischen Vereinigung, Schriftführer der Hamburger Ortsgruppe, Kritik der Militärjustiz “Das Erfurter Urteil”, daraufhin Strafantrag des preußischen Kriegsministers gegen Ossietzky wegen öffentlicher Beleidigung. Hochzeit mit Maud Lichfield-Woods in England, Wohnung in der Schmilinskystraße Nr. 6 mit Ossietzkys Mutter und Stiefvater.
1914 Vortrag “Militärdiktatur oder Bürgerrecht” auf einer Mitgliederversammlung der Demokratischen Vereinigung, Beendigung des Justizdienstes, Delegierter am 6. Parteitag der Demokratischen Vereinigung teil, Verurteilung wegen Beleidigung zu 200 Mark Geldstrafe von der 3. Strafkammer des Landgerichts II in Berlin-Moabit, literarischer Zirkel von Carl und Maud von Ossietzky in der Wohnung Schmilinskystraße
1915 Bürogehilfe im Grundbuchamt des Amtsgerichts, Versammlungen der Deutschen Friedensgesellschaft mit Vorträgen “Frieden auf der Grundlage einer internationalen Rechtsordnung”, “Deutschland im Weltkrieg” und “Wofür kämpfen wir ?”, Vorstandsmitglied der Ortsgruppe Hamburg der Deutschen Friedensgesellschaft
1916
Vorträge “Dreißig Jahre deutscher Literatur” und “Über den Wert des Theaters”, Einberufung zum Militärdienst als Landsturmmann des Landsturm-Ersatz-Bataillons II, zum Bayerischen Pionierregiment in Biberach, Lazarettaufenthalt in Hamburg-Altona, Armierungssoldat in einem Armierungsbataillon an der Westfront in Flandern
1917
Feldlazarett Lichtervelde (Belgien), Kriegslazarett Brüssel (bis zum 5. Februar 1918), Artikel “Ein Wort über Aktivismus”
1918 Artikel “Wandlung der geistigen Atmosphäre”, Heimaturlaub in Hamburg, Versetzung zum General-Kommando 19 und zum Bayerischen Artillerie-Parkkommando, mit der 6. Armee in Brüssel und Rückkehr nach Deutschland, Artikel “Das werdende Deutschland
1919 Kündigt beim Amtsgericht, Entlassung aus dem Justizdienst (rückwirkend zum 31. Dezember 1918), Wahl in den beratenden Ausschuss des Vorstandes der Hamburger Monisten, Lektor im Pfadweiser Verlag, Aufnahme in die Loge Menschentum im Orient Hamburg II als Freimaurerlehrling und Mitglied des „Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne“, Vorträge auf Veranstaltungen des Monistenbundes: „Monismus - Revolution - Evolution“ und „Monismus - Liga der Nationen - Weltrevolution“, Schriftführer am ersten nach dem Kriege stattfindenden Friedenskongress, Wohnortwechsel nach Berlin, Generalsekretär der Deutschen Friedensgesellschaft, Gründung des „Friedensbund der Kriegsteilnehmer“ zusammen mit Georg Friedrich Nicolai, Emil Julius Gumbel, Berthold Jacob, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky und 1920 der Aktionsausschuß „Nie-wieder-Krieg“, Teilnahme an der ersten Mitgliederversammlung der Deutschen Friedensgesellschaft in Kassel als Generalsekretär, verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Völker-Friede“, Geburt der Tochter Rosalinde
1920 Mitarbeit in der Redaktion der “Berliner Volks-Zeitung”, verantwortlicher Schriftleiter der “Mitteilungen der Deutschen Friedensgesellschaft”, dem Nachfolgeorgan des “Völker-Friedens”, Kolumne “Von der deutschen Republik” in den “Monistischen Monatsheften” unter dem Pseudonym Thomas Murner, fester Mitarbeiter der “Berliner Volks-Zeitung”, gründet den Aktionsausschuss “Nie-wieder-Krieg” mit, Massenkundgebungen in ganz Deutschland, Rede Ossietzkys im Berliner Lustgarten, Teilnahme als Schriftführer am 9. Pazifistenkongress in Braunschweig, zwei Vorträge für die Deutsche Friedensgesellschaft: “Das europäische Trümmerfeld und der Wiederaufbau” und “Kampf gegen die Waffe”
1921 Mitglied im Hauptausschuß des Friedensbundes der Kriegsteilnehmer, Mitherausgeber des “Friedensbundes” (später: “Nie wieder Krieg”), Reise nach Süddeutschland
1922 Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte, Beteiligung an der Organisation der “Nie wieder Krieg”-Kundgebungen
1923 Vorbereitungen zur Gründung einer neuen politischen Partei
1924 Gründung der Republikanischen Partei Deutschlands mit u.a. Berthold Jacob, Fritz von Unruh, Mitbegründer der republikanischen Jugendorganisation “Liga Junge Republik”, Redaktion beim “Tage-Buch” und beim “Montag Morgen”, vorübergehend verantwortlicher Schriftleiter der “Republikanischen Presse”. Austritt aus der Republikanischen Partei nach Kandidatur bei den Reichstagswahlen, verantwortlicher Redakteur des “Tage-Buch”
1926 Beendigung der Mitarbeit beim “Tage-Buch” im April, Beginn der Redaktionstätigkeit in der “Weltbühne” mit dem Artikel “Der plombierte Wagen”, Ossietzky unterstützt in der “Weltbühne” die Kampagne zur Enteignung der Fürstenhäuser, Wahl in in den Vorstand der "Deutschen Liga für Menschenrechte", Rede Anfang November auf einer Kundgebung der Liga “Gegen die Schmutz- und Schund Gesetzvorlage”, Tod des Herausgebers der "Weltbühne", Siegfried Jacobsohn,am 3. Dezember. Carl von Ossietzky wird verantwortlicher Redakteur der “Weltbühne”
1927 Verurteilung von Carl von Ossietzky und Erich Weinert zu je 500 Mark Geldstrafe vom Schöffengericht Berlin-Mitte wegen öffentlicher Beleidigung der Reichsmarine, Chefredakteur der “Weltbühne” (ab 2. Mai), Verurteilung zu einer Geldstrafe von 100 Mark vom Amtsgericht Charlottenburg wegen der Weigerung, eine Berichtigung zu veröffentlichen, Weiterführung der “Weltbühne" ab 11. Oktober mit dem Titelblatt: “Unter Mitarbeit von Kurt Tucholsky geleitet von Carl von Ossietzky”, Verurteilung vom erweiterten Schöffengericht Berlin-Charlottenburg wegen Beleidigung der Reichswehr zu Gefängnisstrafen von einem Monat für Ossietzky und zwei Monaten für Jacob wegen des Artikels “Plädoyer für Schulz” von Berthold Jacob, Umwandlung zu Geldstrafen von 600 und 1000 Mark nach Berufungsverhandlung und Urteil von der 3. Strafkammer des Landgerichts III, später Strafamnestie für Ossietzky
1928 Neben Ernst Toller Mitglied im beratenden Arbeitsausschuß der von Alfred Döblin geleiteten “Aktionsgemeinschaft für geistige Freiheit”, Einstellung eines Verfahrens wegen Verrats militärischer Geheimnisse durch das Reichsgericht wegen des am 22. November 1927 in der “Weltbühne” erschienenen Artikels “Das Märchen von den Canarischen Inseln”, Verurteilung vom Amtsgericht Charlottenburg zu einer Geldstrafe von 50 Mark wegen eines in der “Weltbühne” veröffentlichten Artikels, Unterstützung des von der KPD eingeleiteten Volksbegehrens gegen den Bau des Panzerkreuzers “A”, Einstellung eines weiteren vom Reichsgericht eröffneten Verfahrens wegen Landesverrats aufgrund eines Amnestiegesetzes
1929 Teilnahme an öffentlichen Gerichtstagen zur Aufklärung der blutigen Maivorgänge, neben Heinrich Mann und anderen Präsidiumsmitglied des Untersuchungsausschusses im Berliner Schiller-Theater
1930 Gespräch im Berliner Rundfunk mit Rudolf Arnheim und Richard Lewinsohn über die Geschichte und die Aufgaben der “Weltbühne”. Rede auf einer Kundgebung der Deutschen Liga für Menschenrechte über den “Reichswehrprozess”, Besuch bei Tucholsky in Schweden, Rückkehr der Tochter Rosalinde zu den Eltern
1931 Anklage gegen Carl von Ossietzky und Walter Kreiser vom Reichsgericht wegen Landesverrats und Verrats militärischer Geheimnisse, aufgrund von Walter Kreisers am 12. März 1929 in der “Weltbühne” erschienenen Artikel “Windiges aus der deutschen Luftfahrt”. Urlaub der Familie Ossietzky in der Tschechoslowakei, Verurteilung von Ossietzky und Kreiser zu je 18 Monaten Gefängnis durch das Reichsgericht, Artikel “Der Weltbühnen-Prozess” über die Hintergründe der Verurteilung, Begnadigungsantrag.an den Reichspräsidenten durch Ossietzkys Verteidiger Alfred Apfel
1932 Vorstand der Liga für Menschenrechte, Mitglied des Direktionskomitee des Bundes Freier Balkan, Ablehnung des Gnadengesuchs, zwischenzeitige Leitung der “Weltbühne” durch Hellmut von Gerlach für die Dauer der Haft, Beginn der Strafe im Gefängnis Tegel, Artikel “Rechenschaft”. Freispruch im Prozess “Soldaten sind Mörder” von der Anklage der Reichswehrbeleidigung, weitere Anklage wegen übler Nachrede gegen Beamte des Reichsfinanzministeriums wegen zwei in der “Weltbühne” erschienenen Artikeln von Fritz Tetens über die “Reemtsma-Affäre”. Ablehnung des gemeinsam vom PEN-Club und der Liga für Menschenrechte eingereichten Gesuches auf Umwandlung der Strafe in „Festungshaft“, Nicht-Beantwortung der Massenpetition mit etwa 45.000 Unterschriften, Vertagung des Verhandlungstermin im “Reemtsma-Prozess” auf unbestimmte Zeit, Haftentlassung von Ossietzky aufgrund der Weihnachtsamnestie am 22. Dezember, Artikel “Rückkehr”
1933 Einrichtung einer neuen Wohnung, erstmals mit eigenen Möbeln, Reden auf verschiedenen Veranstaltungen im Januar und Februar, zum Beispiel am 17. Februar auf einer Versammlung der oppositionellen Berliner Ortsgruppe des „Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller“ neben Ernst Toller, Erich Mühsam und anderen. Verhaftung in der Nacht des Reichstagsbrandes, Artikel “Herr Walter Bloem” (letzte Veröffentlichung), nach wenigen Tagen im Polizeipräsidium Alexanderplatz Einlieferung in das Untersuchungsgefängnis Spandau, am 6. April Gefangennahme im „Konzentrationslager“ Sonnenburg bei Küstrin, grausame Folter und Schikanen, Herzanfall am 12. April, „Bücherverbrennung“ auch seiner und Tucholskys Schriften am 10. Mai in Deutschland
1934 „Konzentrationslager“ Papenburg-Esterwegen, Einsatz in einem Strafkommando zum Gräbenausheben und zu Torfarbeiten im Moor, Erkrankung, Krankenrevier, Kartoffelkommando, Stubendienst, Hoffnung auf eine Weihnachtsamnestie, Krankenrevier
1935 Entlassung aus dem Krankenbau, Strafkompanie: Zwangsarbeit im Moor, Besuch des englischen Quäkers Corder Catchpool, Krankenrevier, Besuch des Völkerbundkommissars Carl Jacob Burckhardt im „Konzentrationslager“ Papenburg-Esterwegen
1936 Einlieferung in das Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin wegen einer schweren offenen Lungentuberkulose, Gespräch mit dem nationalsozialistischen Minister Göring: Ablehnung des von Göring geforderten Verzichts auf den Friedensnobelpreis, Entlassung aus dem Staatskrankenhaus und aus der Schutzhaft, Westend-Krankenhaus in Berlin-Charlottenburg - Am 23. November wird Carl von Ossietzky der Friedensnobelpreis für das Jahr 1935 zuerkannt. Die Ausreise zur Preisverleihung nach Oslo wird ihm von den Nazis verboten, er bleibt auch weiter unter Bewachung. Der Festakt in Oslo am 10. Dezember findet in seiner Abwesenheit statt. - Lungensanatorium Nordend in Berlin-Niederschönhausen.
1937 Veruntreuung der Nobelpreissumme durch den ehemaligen Rechtsanwalt Dr. Kurt Wannow, Einsetzung des Arztes Dr. Dosquet durch die Staatspolizeileitstelle
1938 Zeuge vor Gericht im Prozeß gegen Dr. Wannow, Osterbesuch der norwegischen Pazifisten Inger und Finn Lie an seinem Krankenbett, Tod von Carl von Ossietzky im Krankenhaus Nordend in Berlin-Niederschönhausen (Datierung der Sterbeurkunde: 4. Mai). Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Berlin-Niederschönhausen am 18. Mai

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